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THE MIGHTY MUSHROOM

24.02.2020

Elisabeth Petermann

Pilze – das neue Cannabis?! Wir beobachten ein wachsendes Interesse an Pilzen, aus kulinarischer und vor allem aus medizinischer Sicht. Pilze haben eine lange Geschichte in verschiedenen Kulturen, im Schamanismus, in östlichen aber auch in europäischen Kulturen. Ursprünglich vertrauten insbesondere Chinesen in ihrer traditionellen chinesischen Medizin (TCM) auf die Kraft von Pilzen. Heute sind sie immer noch der weltweit größte Züchter von Pilzen.[1]

In den letzten Jahren ist das Interesse an Pilzen über TCM oder als klassische Beilage hinausgewachsen. Aktuell wenden sich auch vermehrt Mainstream-Konsumenten Pilzen zu: aus gesundheitlichen und bewusstseinserweiternden Gründen.[2] Treiber des Pilz-Revivals sind Trends wie gestiegenes Gesundheitsbewusstsein, vegane Ernährung, Anti-Stress-Bewegungen und Mikrodosierung – eine beliebte Praxis (vor allem in San Francisco/Silicon Valley) kleine Dosen von Drogen, wie LSD oder Magic Mushrooms, zu verwenden, um die persönliche Leistungsfähigkeit zu optimieren und um konzentrierter und kreativer zu sein.[3]

Pilze werden als das neue Cannabis gehandelt – was ihre Gesundheitswirkung betrifft und auch in Bezug auf Investment-Chancen.[4]  Wissenschaftler und Gesetzgeber beginnen ihre Sichtweise auf psychedelischen Drogen wie „Magic Mushrooms“ zu ändern.[5]  Diese Substanzen können beispielsweise helfen Depressionen zu bekämpfen (weltweit sind mehr als 264 Millionen Menschen betroffen [6]) oder schlechte Gewohnheiten (Alkohol, Zigaretten) zu überwinden. Im Zuge der Pilz-Revolution genehmigte Anfang 2019 sogar die US-Lebensmittel- und Drogenbehörde die Verwendung von Psilocybin (halluzinogene Substanz, die Teil des magischen Pilzes ist). Sicherlich bedarf es weiterer Forschung über Psilocybin, um zu verstehen, wie sich die Substanz tatsächlich auf das menschliche Gehirn auswirkt und welche möglichen Nebenwirkungen es gibt.[7] Aufgrund der rechtlichen Auswirkungen ist es für einige Investoren, insbesondere im traditionellen Gesundheitsbereich, noch zu früh, um an einen Mainstream-Einsatz zu glauben.[8]

Dennoch wird es wahrscheinlich zu einer medizinischen Legalisierung kommen. Zum Beispiel hat COMPASS Pathways (QC·VENTURES ist über das Investment in ATAI Life Sciences ebenfalls an Compass beteiligt) die klinische Studie der Phase I mit COMP360 (Psilocybin) abgeschlossen – die bisher größte kontrollierte Studie mit Psilocybin. Es wurde über positive Stimmungsänderungen berichtet, aber über keine negativen Auswirkungen auf die kognitiven und emotionalen Funktionen. Zurzeit laufen in Europa und Nordamerika Phase-IIb-Studien mit 216 Depressionspatienten.[9]

Darüber hinaus sehen wir, dass Forscher, Start-ups, Investoren und gemeinnützige Vereinigungen (z. B. MAPS: Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies) an der Legalisierung von Psychedelika wie Psilocybin und anderen (z.B. LSD) arbeiten, um den (mikrodosierten-) Gebrauch in den Mainstream zu bringen. Außerdem holt die Forschung: Zwischen 2013 und 2018 hat sich die Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit Psilocybin beschäftigen, mehr als verdoppelt.[10] Michael Pollan, der Autor von How to Change Your Mind – What the New Science of Psychedlics Teach Us About Conciousness, Dying, Addiction, Depression, and Transcendence (2018) [11] sieht den Psylocibin- und Mircrodosing Trend im Zusammenhang mit anderen technikgetriebenen Bemühungen wie Fasten, Bio-Hacking, wo es darum geht sich zu optimieren und länger und gesünder zu leben (Longevity). Bei all diesen Forschungs- und Legalisierungsbemühungen rund um Psychedelika ginge es um „finding a technology to improve biology“ und – natürlich – einen Weg, um Geld zu verdienen.[12]

Die kürzliche Lancierung des ersten auf Psychedelika spezialisierten VC zeigt das Investmentinteresse an diesem Bereich. Mitte 2019 startete Field Trip Ventures aus Toronto mit der Mission:
“to heal the sick, and better the well, through therapeutic psychedelics. We are a first-of-its-kind venture that is blending operational execution with strategic investing across all aspects of the psychedelics value chain — from basic research on botanical psychedelics to operation of world class clinics focused on psychedelics-assisted therapies.”
Field Trip plant, in psychedelische Start-ups zu investieren, z.B. um den Anbau von medizinischen Magic Mushrooms (die Quelle für Psilocybin) aufzubauen. Dabei setzen sie auf Strategien von medizinischen Cannabis-Züchtern.[13]

Neben Forschern und Investoren, sehen auch Markt- und Konsumexperten, wie die Hartman-Gruppe [14], in Pilzen ein großes Potenzial für den Health und Food Bereich – wenn sie seriös und legal eingesetzt werden. Zentral für die Renaissance von Pilzen im Lebensmittelbereich ist die Idee „Essen als Medizin“, so die Hartman-Gruppe. Pilzen werden verschiedene positive Gesundheitsqualitäten für unseren Körper nachgesagt, insbesondere in Bezug auf  Mental Health und Longevity:
– Stärkung der Immunität (viel Vitamin D)
– Ausgleichende Hormone
– Entgiftung der Leber
– Verbesserung des Cholesterinspiegels
– Linderung von Allergien
– Unterstützung beim Kampf gegen Krebs
Dennoch stellen Mykologen, wie Paul Stamets, klar, dass es wichtig ist zu verstehen, dass Heilpilze zwar Abwehrkräfte unterstützen, aber nicht unbedingt Krankheiten vorbeugen, heilen oder behandeln.[15]

Aus Food-Trend Perspektive, werden Pilze einerseits als Möglichkeit gesehen, den Fleischkonsum zu reduzieren (siehe z.B. Startup MycoTechnology – aus Pilzen fermentiertes Protein, Total Funding USD 82,6 M laut Crunchbase [16]). Andererseits bringen Pilze neue gesundheitliche Aspekte in unsere Nahrung. Pilze erleben ein Superfood-Revival in Getränken oder als Nahrungsergänzungsmittel, in Form von Pulver, als Flüssigkeit oder Kapseln. Eine Spezialität ist Pilzkaffee, der Gehirnfunktionen unterstützen und Energie spenden soll. Vorteile von Pilzen: sie wachsen in Innenräumen, in Dunkelheit, rund um die Uhr und verdoppeln ihre Größe täglich. Dies sind unschlagbare Qualitäten im Vergleich zur Zucht von Insekten – ein Grund, warum Pilze als neue Proteinquelle eingestuft werden.[17]

Zwei Beispiele für Startups, die Pilze als Superfood verwenden:
Four Sigmatic Foods:  „Pilzkaffee“ sowie Pilzelixiere und Superfood-Mischungen. Tero Isokauppila, finnischer Pilzzüchter in der 13. Generation, brachte das Unternehmen als Start-up in die USA.[18] Total Funding laut Crunchbase: USD 5,4 Mio.[19]
Lifehouse Tonics: ein „modern health focused company“, das (online und in zwei eigenen Geschäften in Los Angeles) pflanzliche Lebensmittel und Getränke mit Pilzen, Kräutern und anderen Superfoods verkauft. Ihr Signature-Drink: „Chaga-Chip-Cookie“ mit Mandelmilch, Cashew-Milch, Kakaonibs und Chaga-Pilz.

Der Pilz-Trend breitet sich auch in anderen Sektoren neben Lebensmittel, Gesundheit & Beauty aus, so zum Beispiel in Bereichen wie Verpackung und Bauwesen.[20]  Ecovative Design stellt beispielsweise innovative und nachhaltige Materialien aus Pilzen her: MycoFlex™, ein Schaumstoff aus 100% reiner Myzelstruktur, der als Lederersatz oder in der Schuhindustrie verwendet wird. MycoComposite™, eine hochwertige Verpackungslösung, bei der das Myzel als Bindemittel für organische landwirtschaftliche Nebenprodukte verwendet wird. Im Jahr 2019 betrat das Unternehmen mit seinem dritten Pilz-Produkt: Atlast™ den Bereich des Meat-Replacements durch Pilze.

Pilze haben vielseitige Qualitäten, die uns in verschiedenen Bereichen des Lebens unterstützen können. In den nächsten Jahren wird die vertiefte Forschung neues Wissen über Pilze zu Tage bringen, und neue Startups werden uns mit dementsprechend neuen Anwendungsfällen überraschen.

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